Angelesen… Veröffentlichungen im Spielerecht (8)

In unserer Rubrik „Angelesen“ weisen wir in unregelmäßigen Abständen auf aktuelle Veröffentlichungen im Spielerecht hin. Die Auswahl ist komplett subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir stellen zusammen, was wir interessant finden – auch mit Blick über den juristischen Tellerrand hinaus.

Diesmal (u.a.): Updates zu NS-Symbolik und Lootboxen, technische Schutzmaßnahmen, Störerhaftung sowie Kinder- und Jugendschutz.

Update: NS-Symbolik in Computerspielen

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat entschieden, dass die US-Version des Titels „Wolfenstein II: The New Colossus“ nicht indiziert wird. Das Problem kam auf, weil die US-Version im Gegensatz zur deutschen – angepassten – Version NS-Symbole enthält. Eine Verharmlosung der NS-Symbolik sei jedoch insbesondere wegen der „eindeutigen Gut-Böse-Zeichnung“ und der historischen Einordnung nicht zu befürchten. Die Bonner Behörde betont allerdings, dass eine strafrechtliche Prüfung (§ 86a StGB) nicht stattgefunden hat, sondern ausschließlich der Tatbestand der Jugendgefährdung untersucht wurde.

Der Publisher Bethesda teilte auf GamesWirtschaft-Anfrage mit, dass die Entscheidung der BPjM als „ein überaus positives Signal angesichts der großen künstlerischen Leistung“ angesehen werde und das Votum „ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung von Games mit anderen Medien in Deutschland“ sei. Kai Bodensiek sieht im Gespräch mit Postbank.Club in der Entscheidung den Beginn einer neuen Spruchpraxis zu NS-Symbolen in Computerspielen. Über die Änderung der Spruchpraxis der USK, die nunmehr auch Spiele mit NS-Symbolen im Einzelfall prüft, hatten wir im Sommer berichtet.

Update: Lootboxen

Die belgischen Behörden haben vor einiger Zeit angefangen, Computerspiele wegen implementierter Lootboxen als Glücksspiel ohne Lizenz einzustufen. Erste Anbieter reagieren darauf nun und nehmen ihre Spiele vom Markt. Teilweise werden komplette In-Game-Währungen entfernt. Doch es bahnt sich Streit an: Electronic Arts bietet weiterhin in den beliebten Titeln FIFA 18 und FIFA 19 Lootboxen an. Die belgischen Behörden ermitteln.

Einen lesenswerten Beitrag zum Gamesrecht bringt Felix Falk im Editorial zu Heft 8 der MMR 2018. Dabei nimmt er besonderen Bezug auf die aktuelle Debatte über Lootboxen.

Robert Schippel spricht sich in ITRB 2018, 88 klar gegen die Anerkennung von Lootboxen als Glücksspiel aus. Moritz Nickel, Jan Feuerhake und Tobias Schelinski betrachten in MMR 2018, 586 neben dem Glücksspielrecht insbesondere lauterkeits- und gewerberechtliche Aspekte und kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Lootboxen nicht gegen geltendes Recht verstoßen.

Auf die Probleme im Zusammenhang mit dem Verbraucher- und Jugendschutz weist Michael Scheyhing in ZWG 2018, 114 hin. In diesem Zusammenhang gehen Sören Zimmermann und Manuel Franzmeier in ZfGW 2018, 528 sehr aufschlussreich auf die Annäherung von Videospielen und Glücksspiel (vgl. dazu schon die Gambling Commission) hin und plädieren dafür, Lootboxen als Glücksspiele anzuerkennen, wenn diese gegen Echtgeld erworben werden.

Jonas Krainbring und Marcus Röll stellen in ZfWG 2018, 235 auf die Monetarisierungsmöglichkeit der durch Lootboxen erlangten Gegenstände ab. Eine interessengerechte Lösung über die Statuierung neuer Transparenzvorschriften für Preisangaben schlagen Patrick Ehinger und Lukas Schadomsky in K&R 2018, 145 vor.

Technische Schutzmaßnahmen für Videospiele

Timo Conraths gibt in CR 2018, 170 einen Überblick über die technischen Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG. Dabei legt er einen besonderen Fokus auf Videospiele. Insbesondere wird dargestellt, welche Aspekte für die Prüfung des vom EuGH in der Sache Nintendo ./. PC Box ua  (vgl. GRUR 2014, 255betonten Verhältnismäßigkeitskriterium zu berücksichtigen sind.

Auf Grundlage der neuesten BGH-Entscheidung Videospiel-Konsolen III (vgl. GRUR 2017, 541) weist Paetrick Sakowski in GRUR-Prax 2017, 167 darauf hin, dass unter bestimmten Umständen der Geschäftsführer einer Firma, die Produkte zur Verletzung technischer Schutzmaßnahmen produziert, persönlich haftbar gemacht werden kann.

Störerhaftung und Netzsperren

Das Videospiel Dead Island war Gegenstand eines groß angelegten Verfahrens vor dem BGH zur Störerhaftung (GRUR 2018, 1044). Das Gericht bestätigt damit die Überwindung der Störerhaftung des TMG n.F. Betreiber von offenen W-LANs und Tor-Exit-Nodes können somit nicht mehr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn über ihren Anschluss rechtswidrige Inhalte abgerufen werden.

Weiterhin in Betracht kommt dagegen ein Sperranspruch des Rechteinhabers, dass bestimmte Seiten für den offenen Zugang gesperrt werden. Karlsruhe sieht diesen Anspruch jedoch nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt, sondern erwägt auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, die Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – äußerstenfalls – die vollständige Sperrung des Zugangs.

Vodafone etwa hat die Sperrung zweier illegaler Serienseiten auf Aufforderung der Rechteinhaber erst vor kurzem veranlasst. Auch im Ausland lassen sich ähnliche Tendenzen erkennen: In Lettland und Großbritannien wurden Sperrverfügungen gegen illegale Streams erlassen. In Indien sperrte man ganz bescheiden über 12.500 Websites, um einer illegalen Verbreitung des teuersten indischen Filmes aller Zeiten „2.0“ vorzubeugen.

Übrigens: Es besteht ein Auskunftsanspruch gegen den Anschlussinhaber darauf, wer Zugriff auf den jeweiligen Internetanschluss hat (BGH I ZR 265/16). Zudem wird neuerdings die „Faktorrechtsprechung“ des BGH zu Rechtsverletzungen durch Filesharing von Musikstücken auch für illegale Game-Downloads angewendet (OLG Celle). Ein illegaler Download könnte den Rechtsverletzer in Zukunft also empfindlich treffen. Unter Umständen ist das 227-fache des Kaufpreises eines Videospiels als Schadensersatz zu zahlen (OLG Schleswig).

Kinder- und Jugendschutz im Internet

In einem Interview stellt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johanns-Wilhelm Röhrig fest: „Kinder- und Jugendschutz findet derzeit im Internet nicht statt“. Problematisch seien insbesondere Online-Spiele, bei denen Erwachsene in spielinternen Chats ungehindert sexuellen Kontakt zu Minderjährigen aufnehmen könnten. Auch Fotos aus öffentlichen Blogs und Instagram-Profilen landen oftmals in den Feeds von Männern, die sexuelle Fantasien mit Kindern haben und diese Bilder entsprechend kommentieren. Dieses sog. „Cybergrooming“ ist aus Sicht der Spieleverbände kein großes Problem und sei daher zurecht vom NetzDG ausgenommen.

Schutzbedürftig sind Kinder und Jugendliche auch bei der Nutzung von (Spiele-)Apps: 22 Verbraucher- und Datenschutzorganisationen haben eine Beschwerde bei der Federal Trade Commission eingereicht, weil Apps aus dem Google Play Store Werbung für Glücksspiel und Alkohol enthielten. Auch datenschutzrechtliche Bedenken bestehen.

Apropos Apps: Nach Recherchen von mobilsicher.de nehmen rund 30 Prozent alle Apps aus dem Play Store Kontakt zu Facebook auf, wenn man sie startet. Das Problem: Dies geschieht, ohne dass der Benutzer auch nur eine einzige Taste gedrückt hat oder darüber informiert wird.

Unter Umstände kann die Möglichkeit von Kindern und Jugendlichen, Zugriff auf nicht altersgerechte Computerspiele und Apps zu haben, auch Auflagen des Jugendamtes nach §§ 1666, 1666a BGB auslösen (OLG Frankfurt). Die BPjM hat einen Leitfaden über Computerspiele, insbesondere die gesetzlichen Regelungen und Aspekte der Medienerziehung, herausgebracht.

Urteil gegen die Betreiber eines Gaming-Privatservers

Das AG Heidelberg hat gegen den Betreiber mehrerer illegaler Privatserver für das Spiel „Metin2“ eine Geldstrafe verhängt. Das Urteil war das erste seiner Art und entstand vor allem durch die Beteiligung der Gesellschaft zur Verletzung von Urheberrechten e.V. (GVU). Der Hauptangeklagte erzielte sechsstellige Gewinne mit dem Verkauf von In-Game-Items. Tatvorwurf: Gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung.

Kurioses

Auch die DSGVO greift um sich: Es wird geraten, Computerspiele aus datenschutzrechtlichen Gründen am Arbeitsplatz zu verbieten (Schaffland/Wiltfang, DSGVO/BDSG, Der PC-Einsatz, 4.5.1). Schade! Doch es bleibt Hoffnung für den Privatbereich: das gemeinsame Computerspielen kann immerhin ein Indiz dafür sein, gut in einem Freundeskreis integriert zu sein (LSG BaWü, Rn. 99). Aber Achtung: Seit dem 18.06.2018 ist die Computerspielsucht – direkt hinter der Glücksspielsucht – von der WHO als Krankheit klassifiziert. Ein Blick in die Zukunft: In Finnland gilt ab dem 01.07.2019 ein ermäßigter Steuersatz für E-Publikationen. Computerspiele sind davon noch nicht erfasst. Das wäre doch mal eine Idee?


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