Spiele an realen Schauplätzen: Zur Panoramafreiheit in Computerspielen (Teil 1 von 2)

Ob Rennsimulation vor der Kulisse echter Städte, Sportereignis an realen Schauplätzen, Open-World-Game, MMO oder Shooter in den einstürzenden Neubauten von Berlin, Hamburg und New York: Mit fortschreitender Grafik- und Rechenleistung rücken Hintergründe und Umgebung des Spielers immer stärker in den Fokus. In Online-Spielumgebungen wie Second Life wurden bisweilen ganze Städte digital nachgebaut. In diesem Zusammenhang hatte sich das LG Köln bereits mit urheberrechtlichen Fragen in Bezug auf einen virtuellen Kölner Dom zu befassen. Im vergangenen Jahr hat das OLG Köln (Urteil vom 09.03.2012, Az. 6 U 193/11; Volltext) einen Nebensatz fallen lassen, der (auch) Games-Rechtler aufhorchen lassen muss.

Denn die dargestellte Entwicklung wirft die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Spiel die Wirklichkeit „einfach so“ abbilden darf – denn auch Bauwerke unterliegen zumindest teilweise einem urheberrechtlichen Schutz. Ohne eine entsprechende Lizenz vom Architekten dürfen sie also auch in Spielen nur gezeigt werden, wenn eine urheberrechtliche (Ausnahme-)Regel dies erlaubt. In Betracht kommt insoweit die so genannte „Panoramafreiheit“ (§ 59 UrhG), die jedenfalls eine unverfälschte und unveränderte Wiedergabe unter bestimmten Umständen erlaubt. Problematisch ist daran, dass der Wortlaut der Vorschrift die in Computerspielen erfolgende digitale Vervielfältigung von Werken nicht ausdrücklich erfasst.

Welche Bauwerke sind geschützt?

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt sind auch Werke der Baukunst. Damit sind noch nicht alle Bauwerke gemeint, sondern nur solche, die einen ästhetischen Wert und eine künstlerische Individualität jenseits des architektonischen Durchschnitts aufweisen. Diese Anforderungen erfüllen die meisten herkömmlichen (Zweck-)Bauwerke nicht, wohl aber gerade die markanten Bauten mit Wiedererkennungswert, die für eine virtuelle Stadtumgebung interessant sind.

Die Schutzdauer des Urheberrechts endet grundsätzlich 70 Jahre nach dem Tod des Architekten (§ 64 UrhG), so dass etwa das Brandenburger Tor oder der Kölner Dom keinem Schutz mehr unterliegen. Nachkriegsbauten dagegen sind noch geschützt. Hier haben die Urheber das Recht, über eine Vervielfältigung – was auch die digitale Abbildung in einer Spielwelt mit einschließt – zu entscheiden.

Ausnahme Panoramafreiheit

Dieses Recht des Urhebers ist allerdings nicht schrankenlos. Gemäß § 59 UrhG dürfen Werke, die bleibend (d.h. jedenfalls länger als einige Wochen) an öffentlichen Straßen aufgestellt werden jedenfalls mit Mitteln der Malerei, der Graphik, des Lichtbilds und des Films von jedermann vervielfältigt werden. Die so entstandenen Bilder oder Filme darf ein Spielepublisher auch nach den allgemeinen Regeln selbst gewerblich verbreiten.

Computerspiele sind keine Gemälde

Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Panoramafreiheit nur für bestimmte „traditionelle“ Vervielfältigungsmethoden, nämlich Malerei, Graphik, Lichtbild oder Film. Dieser Katalog ist auch bei den diversen Anpassungen des Urheberrechts an die Gegebenheiten der „Informationsgesellschaft“ nicht ausdrücklich um die neuen Medien ergänzt worden.

Es ist daher nicht ganz eindeutig, ob und wie die Vorschrift des § 59 UrhG im Zusammenhang mit Computerspielen überhaupt Anwendung finden kann.

Erweiternde Auslegung und Analogie?

Denkbar wäre eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass die Aufzählung der Vervielfältigungsmethoden nicht abschließend zu verstehen ist, sondern auch solche ungenannten Methoden erfasst, die im Wesentlichen die gleichen Charakteristika ausweisen wie die genannten Methoden. Es müsste sich also etwa um solche Verfahren handeln bei denen eine nur zweidimensionale Darstellung erreicht wird. Auf diese Gemeinsamkeit von Malerei, Grafik, Lichtbild und Film wird in der Kommentarliteratur auch immer wieder hingewiesen. Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung war diese Frage allerdings noch nicht.

Es kann auch argumentiert werden, dass eine Darstellung von Bauwerken in Computerspielen nicht intensiver in die Rechte des Urhebers eingreift als die Vervielfältigung mit den in § 59 Abs. 1 UrhG ausdrücklich zugelassenen Mitteln. Dann ließe sich unter Umständen eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die digitale Vervielfältigung bejahen.

Computerspiele sind (wie) Filme

Vielleicht am überzeugendsten ist aber der umgekehrte Ansatz: Wenn man die Panoramafreiheit nicht zum Computerspiel tragen dann, dann möglicherweise das Computerspiel zur Panoramafreiheit?

Die Rechtsprechung hat in anderem urheberrechtlichen Zusammenhang Computerspiele wegen der enthaltenen bewegten Bilder als Filme eingeordnet. Zwar wurde in den bisher vorliegenden Entscheidungen die Zulässigkeit der Verwendung von Gebäudeabbildungen in Computerspielen nicht thematisiert, doch ist es nur konsequent, auch im Rahmen dieser Vorschrift Computerspiele als Filme zu betrachten.

Welche Grenzen auch bei der Nutzung von Gebäudeansichten im Rahmen der Panoramafreiheit zu beachten sind, erläutern wir nächste Woche im zweiten Teil dieses Beitrags.


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