Der Fall Geohot: Pyrrhussieg oder wichtiger Schlag gegen die Hackerszene? (Teil 2 von 2)

Wie kommt es, dass ein gerade 21-jähriger Hacker mit einem nach nur drei Monaten von den Parteien beigelegten Rechtsstreit mit Sony weltweit Schlagzeilen macht? Wer den ersten Teil dieses Beitrags gelesen hat, wird festgestellt haben, dass es kaum an der Komplexität der Rechtsverstöße gelegen haben kann, die dem Hacker George Hotz von Sony vorgeworfen wurden. Tatsächlich war eine Verurteilung in Anbetracht der massiven und wiederholten Eingriffe in den Kopierschutz der Playstation 3 und deren Veröffentlichung mehr als wahrscheinlich.

Furore machte der Prozess – abgesehen von seiner Vorgeschichte – wegen eines scheinbaren Details und dessen gerichtlicher Klärung: der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Streit um das zuständige Gericht

Zwar konnte Sony dank einer temporary restraining order (Volltext), einer Art einstweilige Verfügung, nach der Hotz keine Informationen zu seinen bisherigen Hacking-Aktivitäten mehr veröffentlichen durfte, diese einstellen und Teile seiner Hardware herausgeben musste, schon Ende Januar inhaltlich einen Teilerfolg erzielen (der am 28. Februar durch eine preliminary injunction (Volltext) bestätigt wurde). Hotz‘ Verteidigung konzentrierte sich jedoch darauf, die Zuständigkeit des Gerichts in Frage zu stellen.

Die wichtigsten Argumente, die das Unternehmen für einen ausreichenden Bezug zum Bundesstaat Kalifornien ins Feld führte, waren zunächst die Tatsache, dass Sony Computer Entertainment America (SCEA), eine amerikanische Tochter der japanischen Sony Corporation, die vor allem Playstation-Spiele entwickelt und vermarktet, dort ihren Sitz habe und Hotz‘ Aktivitäten sich direkt gegen dieses Unternehmen gerichtet hätten; ferner, dass Hotz Kalifornien als Gerichtsort in den Nutzungsbedingungen des Playstation Network (PSN) zugestimmt habe, das Unternehmen PayPal, dessen Dienstleistungen sich Hotz für seine Aktivitäten bedient habe, ebenfalls in Kalifornien sitze und Hotz die Ergebnisse seiner Arbeit gerade auch Playstation-Besitzern aus Kalifornien zugänglich gemacht habe.

Hotz‘ Verteidigung widersprach all diesen Argumenten und bezeichnete Sonys Vorgehen mehrfach als absurd. Weder sei einzusehen, dass sämtliche Tochterunternehmen der im Bundesstaat Delaware ansässigen Sony Corporation (die bei Kauf und Verwendung der Playstation 3 als alleinige Rechteinhaberin auftrete) am Ort ihres Unternehmenssitzes gegen etwaige Schädigungen durch Hotz vorgehen könnten, noch reiche die Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen des PSN aus, um sämtliche Handlungen Hotz‘ in Verbindung mit der Playstation 3 einem kalifornischen Gericht zu unterwerfen. Hotz habe seine Aktivitäten zudem nie bewusst auf Kalifornien ausgerichtet, insbesondere sei seine eigene Website, auf deren kalifornische Benutzer Sony mehrfach verwies, „passiv“ und diene „wie ein Internet-Tagebuch“ lediglich dazu, Hotz‘ „Gedanken, Ideen und Erkenntnisse“ unentgeltlich mit der Öffentlichkeit zu teilen; eine Ausrichtung seiner Aktivitäten (auch) auf Kalifornien könne eine solche Website nicht belegen.

Auch wenn das Gericht die Frage nach seiner Zuständigkeit, die eine Antwort auf diese und weitere komplizierte Rechtsfragen erfordert hätte, am Ende nicht entscheiden musste, macht die Argumentation der beiden Parteien deutlich, warum Sony von Anfang an großes Interesse an einem möglichst weitgehenden Zugang zu den Daten derjenigen Internetnutzer hatte, die auf Hotz‘ Exploits zugegriffen hatten. Dass das Gericht diesem Interesse mit einer äußerst weitreichenden Verfügung nachkam, erklärt einen Teil des großen Medieninteresses an dem Rechtsstreit.

Die Verfügung

Am 3. März gab Magistrate Judge Joseph C. Spero einem von Sony eingereichten Antrag statt (Volltext), der es dem Unternehmen ermöglichen sollte, weitere Beweise für die Zuständigkeit des kalifornischen Gerichts zu erlangen. Zwar hatte Sony dessen Reichweite bereits eingeschränkt und der Geheimhaltung eines Teils der Daten zugestimmt, dennoch war der Umfang der Daten, die Twitter, Google, dessen Tochterunternehmen YouTube und Hotz‘ Webhoster Bluehost an Sony herausgeben mussten erheblich.

Während Bluehost verpflichtet wurde, Sony mitzuteilen, wer die von Hotz bereitgestellte Software heruntergeladen hatte, sollte Google offenlegen, welche Nutzer über den Blog geohotps3.blogspot.com Kontakt zu Hotz hatten, ein bestimmtes YouTube-Video kommentiert oder (nachdem Hotz es in seinen „privaten“ Bereich verschoben hatte) noch Zugriff darauf hatten. Twitter musste Sony alle Tweets zur Verfügung stellen, die Hotz von seinem Account aus verfasst hatte.

Die von der Electronic Frontier Foundation, einer amerikanischen Bürgerrechtsorganisation, als sogenannter amicus curiae vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, der durch die Verfügung in unverhältnismäßig hohem Maße verletzt werde, blieben in Anbetracht der Einschränkungen, die Sony gegenüber seinem ursprünglichen Verlangen vorgenommen hatte, ohne Gehör.

Die Einigung

Am 31. März traf sich Hotz mit Vertretern von SCEA. Beide Seiten einigten sich darauf, den Rechtsstreit beizulegen und auf alle Rechtsmittel zu verzichten – freilich, nachdem Hotz einer weitreichenden Unterlassungserklärung zugestimmt hatte. Nach dieser darf er in Zukunft keinerlei Handlungen begehen, die dazu dienen, den Kopierschutz eines Sony-Produkts zu umgehen und keine Informationen mehr veröffentlichen, die anderen dies ermöglichen; jeder Verstoß verpflichtet ihn unmittelbar zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von $ 10.000, bei wiederholten Verstößen bis zu einer Gesamtsumme von $ 250.000. Hotz gab im Anschluss bekannt, nie wieder mit Produkten von Sony zu experimentieren und rief zu einem Boykott aller Sony-Produkte auf. Die knapp 10.000 Dollar, die von den Spenden für seine Verteidigung nach Abzug der Prozesskosten übrig geblieben waren, spendete er der Electronic Frontier Fondation, die ihn im Laufe des Rechtsstreits unterstützt hatte.

Während Sony damit sein ursprüngliches Ziel, öffentlichkeitswirksam und mit harter Hand gegen die Umgehung des Playstation-3-Kopierschutzes vorzugehen und erfolgreiche Exploits in der Zukunft zu verhindern, erreicht hat, heißt der moralische Sieger des Rechtsstreits jedenfalls für viele Internetnutzer und -medien George Hotz. Zwar ist der durch dessen Boykott-Aufruf angerichtete Schaden noch nicht feststellbar und möglicherweise marginal, die massiven Angriffe auf Sony-Server, zu denen die Gruppe Anonymous aufgerufen hatte, dürften dem Unternehmen dagegen erheblich geschadet haben.

Hinzu kommt die Kluft zur Hacker-Community, die aus unterschiedlichsten Motiven – darunter nicht zuletzt die Entwicklung von homebrew-Anwendungen – mit der Playstation-Software experimentiert. Viele dürften der Analyse zustimmen, die Hotz anlässlich der von Sony im Februar veranlassten Hausdurchsuchung beim deutschen Hacker Graf_Chokolo in seinem während des Gerichtsverfahrens eingerichteten Blog geohotgotsued veröffentlichte :

„They’ll never understand people like us. They are scared, as they rightfully should be. We built your PS3. We built this world. We are not mindless consumers. It is us with the brains and curiosity, not you with the guns, jails, suits, titles, and dollars. And the truth is, if all of you disappeared tomorrow, the world would continue on fine. Good luck surviving without people like graf_chokolo.“

Konkurrent Microsoft denkt inzwischen offenbar ähnlich und versucht sich die Feinde, die er nicht besiegen kann, kurzerhand zum Freund zu machen. An Hotz hatte Brandon Watson, Hauptverantwortlicher für das Betriebssystem Windows Phone 7, schon im Januar via Twitter geschrieben:

„#geohot if you want to build cool stuff on #wp7, send me email and the team will give you a phone – let dev creativity flourish #wp7dev“


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