Goliath gegen hundert Davids: Der juristische Kampf gegen Konsolen-Modchips

Nur eine kurze Ankündigung im Forum der Szeneseite Modcontrol.com weist auf den Rechtsstreit zwischen einem Hersteller von mobilen Spielkonsolen und einem der zahllosen Verkäufer von sogenannten Mod Chips hin, der Anfang September 2010 vor dem LG München verhandelt wurde:

„Unser Sponsor […] wird am 02. September 2010 seinen ersten Gerichtstermin antreten.

In der Zivilklage, die […] beim Amtsgericht München eingereicht wurde, wird [ihm] vorgeworfen, die geschützten Rechte [des Spielkonsolenherstellers] verletzt zu haben. […]

Wir drücken [ihm] auf jeden Fall die Daumen, schließlich ist er der einzige, der weiterhin versucht die Rechtslage rund um den Verkauf der Slot-1-Flashkarten […] mit einem rechtskräftigem Urteil (unabhängig vom Zivilverfahren) abzuklären.“


Ein Rechtsstreit von Hunderten, die Hersteller von Spielekonsolen seit Jahren weltweit gegen die Her­steller und Verkäufer von Modulen führen, die die Verwendung von fremder (also nicht vom Hersteller stammender oder zumindest autorisierter) Software auf den Geräten ermöglichen. Ein Rechtsstreit von Hunderten zwar, doch einer der wenigen, die tatsächlich bis zu einem Gerichtstermin geführt haben.

Die meisten Händler, die von den Herstellern abgemahnt werden, versuchen erst gar nicht, sich juristisch zu wehren und geben freiwillig Unterlassungs­erklärungen ab, „ziehen den Schwanz ein“, wie es jemand auf Modcontrol.com formuliert. Entsprechend deutlich die Sympathiebekundungen für den Beklagten („Endlich mal einer, der sich traut!“) und entsprechend gering die Überraschung, als jener kurz darauf verkündet, den Vertrieb der Module „auf Grund eines Rechtsstreits […] ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber gleichwohl rechtsverbindlich“ einge­stellt zu haben.

Der Mythos von der unklaren Rechtslage

Dass nicht nur auf Modcontrol.com gleichwohl von einer „unklaren Rechtslage“ die Rede ist, liegt vor allem an besagtem Mangel an längeren Verfahren und damit an instanz- und höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Hinzu kommt eine Reihe von ausländischen Entscheidungen, die in Tenor und Argumentation durchaus voneinander abweichen (siehe letzter Abschnitt). Dass in den letzten Jahren indes weltweit fast alle Gerichte im Sinne der Hersteller entschieden haben und gerade das deutsche Recht (in Verbindung mit der einzigen einschlägigen Entscheidung des LG München) kaum Inter­pretationsspielraum lässt, wird dabei allerdings gerne übersehen.

Immer wieder berufen sich die Händler auf die legalen Verwendungsmöglichkeiten der von ihnen vertriebenen Karten, die es beispielsweise erlauben, trotz des speziellen Datenträgerformats fremde Software auf Nintendos Handheld-Konsolen zu verwenden. Denn neben einem gigantischen Angebot an Raubkopien (von denen Dutzende auf eine einzelne Karte im Wert von wenigen Euro passen), existiert ein ebenfalls breites Angebot an selbst­gemachter, grundsätzlich legaler Software, die häufig als homebrew bezeichnet wird. Und auch das Erstellen von Sicherungskopien selbst erworbener Spiele ist nach § 69 Abs. 2 UrhG prinzipiell erlaubt und dank eines Mod Chips möglich.

Gleichwohl gibt das deutsche Urheberrecht seit 2003 in den meisten Fällen des wieder­kehrenden Konflikts zwischen den (möglichen) legalen Verwendungsmöglichkeiten einer Technologie und ihrer (üblichen) illegalen Verwendung eine klare Antwort: Sobald eine wirksame technische Maßnahme zum Schutz eines Werkes umgangen wird (um Zugang zu eben diesem Werk zu erlangen), ist die Verwendung der Technologie nach § 95a UrhG ebenso unzulässig wie der Verkauf und die Verbreitung von entsprechenden Vorrichtungen (§ 95a Abs. 3 UrhG). Dass auch ein proprietäres Datenträgerformat eine solche wirksame technische Maßnahme darstellt und die Verwendung von Mod Chips gerade dazu dient, diese zu umgehen, hat das LG München im Oktober 2009 entschieden – und damit den Vertrieb von Mod Chips insgesamt für unzulässig erklärt.


Große Haftungsrisiken für deutsche Händler

Die insoweit eindeutige Rechtslage in Deutschland hat erhebliche Konsequenzen für den Handel mit Mod Chips. Denn neben dem Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG und den Ansprüchen auf Vernichtung oder Überlassung von Vervielfältigungsstücken bzw. -vorrichtungen nach § 98 UrhG hat der Rechteinhaber regelmäßig auch einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG.

Dieser kann für die Händler insbesondere deshalb schmerzhaft sein, weil seine Höhe sich auch nach dem mit den Urheberrechtsverletzungen erzielten Gewinn (§ 97 Abs. 2 S. 2 UrhG) und dem sogenannten Grundsatz der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) richtet; letzterer verschafft dem Rechteinhaber einen Schadensersatzanspruch in Höhe der (fiktiven) Kosten für eine Erlaubnis für den Handel mit Mod Chips.

Hinzu kommt schließlich das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung gemäß §§ 106, 108a UrhG, die bei gewerblichem Handeln eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsehen.

Auch wenn es den Rechteinhabern gerade im Kampf gegen die kleineren Händler weder um einen hohen Schadensersatz noch um eine strafrechtliche Verurteilung, sondern um die schnelle Durchsetzung der eigenen Unterlassungsansprüche geht, sollten die Verkäufer von Mod Chips sich der Risiken bewusst sein. Denn gerade im Kampf gegen Urheberrechts­verletzungen setzen viele Unternehmen auch auf Abschreckungseffekte.

Dass abgemahnte Händler meist widerstandslos umfangreiche Unterlassungserklärungen abgeben, ist dementsprechend nicht zuletzt auf die immensen Schadensersatz- und Verfahrens­kosten zurückzuführen, die so meist abgewendet werden können. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten besteht nach § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG allerdings auch dann.

Ein weltweiter Kampf

Wie stets sind spektakuläre Schadensersatzansprüche vor allem aus dem Ausland bekannt; ein australischer Händler etwa wurde Anfang des Jahres 2010 zur Zahlung von $ 550.000 verurteilt.

Nicht überall sind die Hersteller allerdings derart erfolgreich. Insbesondere die französische Rechtsprechung scheint im Gegenteil in klarem Widerspruch zur Rechtslage in Deutschland zu stehen. Denn dem zitierten Urteil des LG München folgte nur einige Wochen später ein (ebenfalls erstinstanzliches) Urteil des Tribunal de Grande Instance de Paris: Es hatte eine vergleichbare Klage Nintendos auf Grundlage des Artikels L. 331-5 des Code de la propriété intellectuelle abgewiesen, der wie der deutsche § 95a UrhG auf Artikel 6 der sogenannten EU-Urheberrechtsrichtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) beruht.

Ein juristischer Widerspruch ist in den voneinander abweichenden Entscheidungen aller­dings nicht zu sehen: Der in der französischen Umsetzung der Richtlinie insgesamt enger gefasste Begriff der „wirksamen technischen Maßnahme“ weicht zwar erkennbar vom deutschen § 95a UrhG ab, derartige Unterschiede bei der Umsetzung europäischer Richt­linien sind allerdings ebenso zulässig wie üblich.

Zudem ist die Pariser Entscheidung, die anders als das Urteil des LG München in die nächste Instanz gehen wird, weltweit ein Einzelfall. In den letzten zwei Jahren konnten Konsolenhersteller Siege vor italienischen, spanischen, niederländischen und britischen Gerichten verzeich­nen, ebenso wie juristische Erfolge in Japan und Australien.

Und auch der Optimismus einiger amerikanischer Händler, die in einer Modifikation des Digital Millenium Copyright Act (DMCA), die insbesondere das sogenannte jailbreaking bei iPhones erlaubt, eine allgemeine Legalisierung des Handels mit Mod Chips sehen wollen, dürfte nur von kurzer Dauer sein. Die neu eingefügte Ausnahme gilt nämlich ausdrücklich nur für „wireless telephone handsets“ – und von einer Telefonfunktion ist für die meisten aktuellen und künftigen Konsolen noch nichts bekannt. Einzig für das angekündigte Spiele-Handy Sony Xperia Play könnte das anders aussehen…

(Ergänzte und erweiterte Fassung unseres Artikels aus der Zeitschrift Gamesmarkt 4/2011 vom 16.02.2011)


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