LG Ulm: Neues vom virtuellen Hausrecht

Nachdem es zuletzt in der Rechtsprechung relativ ruhig um das virtuelle Hausrecht geworden war, hatte sich nun das Landgericht Ulm erneut mit dieser Rechtsfigur zu befassen. Es beleuchtet insbesondere den praktischen Zweck des Hausrechts auf Internetplattformen, zieht ihm aber auch enge Grenzen, die auch auf den zweiten Blick nicht völlig überzeugen.Anlass der Entscheidung des LG Ulm (Beschluss vom 13. Januar 2015 – Az.: 2 O 8/15) war der Antrag eines Onlinehändlers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Besteller, der nach Ansicht des Händlers wiederholt gegen die AGB verstoßen habe.

Der Fall: Eigene Poster und Rechte Dritter

In seinem Shop verkauft der Händler unter anderem Poster mit Motiven, die die Besteller selbst hochladen. Zwischen den Zeilen des Urteils kann man lesen, dass die AGB eine gewerbliche Weiterverwendung der Ware verbieten (eine Klausel, deren Wirksamkeit in AGB zumindest fraglich ist), jedenfalls aber dem Besteller verbieten, Poster mit geschützten Inhalten Dritter bedrucken zu lassen.

Gegen letzteres Verbot, so der Shop-Betreiber, habe ein Besteller verstoßen. Daraufhin habe der Betreiber dem Besteller alle Verträge gekündigt und ihm ein virtuelles Hausverbot erteilt. Im Wege der einstweiligen Verfügung beantragte er zudem, dem Besteller künftige Bestellungen zu untersagen.

Die Entscheidung: „Einfach nicht beliefern“

Das Gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es erkennt zwar das in der Rechsprechung herausgearbeitete virtuelle Hausrecht des Onlinehändlers (gestützt nur auf das Eigentum an der Hardware); im Grundsatz an, meint aber, dass dieses nur zu dem Zweck geltend gemacht werden könne, unerwünschte Beiträge in einem Forum zu löschen und dadurch einer Haftung für Rechtsverletzungen Dritter zu entgehen.

Durch die Abgabe einer Bestellung, selbst wenn dies unter Verstoß gegen die AGB geschehe, sei aber noch keine Rechtsverletzung Dritter zu befürchten, auch weil der Shop eine Bestellung schließlich ablehnen dürfe und könne, so die gerichtliche Rechtsberatung:

Es steht der [Antragstellerin] frei, Bestellungen des [Antragsgegners] nicht anzunehmen oder diese jedenfalls nicht auszuführen. In der Bestellung des Kunden liegt ein Angebot auf Abschluss eines Vertrags, das die [Antragstellerin] nicht anzunehmen braucht. Selbst wenn ein Vertrag mit dem Besteller bereits dadurch zu Stande kommen sollte, dass dieser eine Bestellung durch entsprechende „Klicks“ auf der Website der [Antragstellerin] aufgibt (was die [Antragstellerin] leicht dadurch verhindern könnte, dass sie ihre Bedingungen entsprechend gestaltet), ist sie nicht gezwungen, einen solchen Vertrag auszuführen und Ware zu liefern, wenn sie hierdurch Gefahr liefe, Rechte Dritter zu verletzen, da ihr dann ohne Weiteres ein Kündigungsrecht zustünde.

Und selbst bei einer (versehentlich) angenommenen Bestellung urheberrechtswidriger Ware, so das Gericht, würde der Betreiber des Online-Shops auch ohne virtuelles Hausrecht nicht gezwungen, Rechte Dritter zu verletzen,

da die [Antragstellerin] unerwünschte Lieferungen an den [Antragsgegner] auf einfache Weise dadurch vermeiden kann, dass sie ihn nicht beliefert […].

Kommentar: Tatsächliche und rechtliche Probleme

Diese gerichtliche Logik ist freilich unumstößlich. Allerdings befriedigt das Ergebnis weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht.

Rein tatsächlich steht die Antragstellerin vor der Herausforderung, dass sie Bestellungen im Massengeschäft gerade nicht vor der Entscheidung über ihre Annahme händisch prüfen kann. Selbst ein Wortfilter oder eine Sperrliste nützen wenig, wenn der Besteller Schreibvarianten seines Namens oder wechselnde Postfachadressen verwendet oder Dritte als Strohmänner vorschiebt.

Rechtlich zieht das Gericht die Grenzen des virtuellen Hausrechts zu eng. Selbst wenn man annimmt, dass es sich um ein zweckgebundenes, nur der Vermeidung von Haftungsrisiken dienendes Recht handelt, hätte seine Ausübung und gerichtliche Durchsetzung in diesem Fall genau diesen Effekt.

Allerdings ist auch nicht ersichtlich, warum eine Ausübung des virtuellen Hausrechts überhaupt auf diesen einen Zweck beschränkt sein sollte, insbesondere dann wenn man es – wie das Gericht – allein aus dem Eigentum an der Serverhardware ableitet. Denn der Eigentümer einer Sache kann damit nach § 903 BGB grundsätzlich

nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen

Fazit: Das Gericht ist zu streng

Zu begrüßen ist dennoch die klare gerichtliche Anerkennung des virtuellen Hausrechts gerade für Kommunikationsplattformen. Insbesondere in Onlinespielen und den dazugehörigen sonstigen Kommunikationskanälen wie Chats oder Foren stellt es ein wichtiges Werkzeug zur Durchsetzung von AGB und Spielregeln und zur Erreichung eines positiven Spielklimas und Nutzererlebnisses dar.


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