Miniserie Games-Förderung (2): Kulturtest und Mindestbudget im deutschen Modellentwurf

Wir haben in einem ersten Teil dieser Miniserie zum Thema Games-Förderung das vom BIU entwickelte deutsche Modell für eine steuerliche Förderung der Spieleentwicklung erläutert. Zentrales Ziel dieses Entwurfs ist die Förderung von Entwicklungsstudios.

Nach der Vorstellung dieses Modellentwurfs zur steuerlichen Gamesförderung durch die deutsche Gamesbranche Ende letzten Jahres waren einige Details des Entwurfs und dessen Funktionsweise sofort Gegenstand zahlreicher Fragen und teilweise meinungsstark geführter Diskussionen. Wir möchten in diesem Beitrag insbesondere zwei dieser viel diskutierten Aspekte aufgreifen und deren rechtlichen Hintergrund erläutern.

„Was soll dieser Kulturtest?“

Die Notwendigkeit eines „Kulturtests“ als Teil der Fördervoraussetzungen beruht auf EU-Recht. Dieses gibt der staatlichen Wirtschaftsförderung einen teilweise strengen Rahmen – eine Kulturförderung ist zwar zulässig, muss dann aber eben auch Mechanismen vorsehen, mit denen die Förderung von Kultur von einer allgemeinen Wirtschaftsförderung abgegrenzt werden kann.

Da die Gamesförderung eine Kulturförderung darstellt, ist also zwingend ein Kulturtest vorzunehmen – eine steuerliche Förderung für das Kulturgut Videospiel ist ohne einen Kulturtest nach EU-Recht gesetzestechnisch nicht umsetzbar. Die steuerlichen Fördermodelle anderer Länder im Games-Bereich, wie z.B. Frankreich oder das Vereinigte Königreich, sehen daher ebenfalls Kulturtests vor. Es muss berücksichtigt werden, dass vor einer Implementierung einer steuerlichen Förderung durch den nationalen Gesetzgeber zunächst die EU-Kommission eine „Freigabe“ erteilen muss. Ohne eine derartige „Freigabe“ durch die EU-Kommission wäre eine steuerliche Förderung ggf. beihilferechtswidrig, d.h. EU-rechtswidrig. Eine nationale steuerliche Gamesförderung kann ohne einen Kulturtest rechtlich nicht die Vorgaben des EU-Rechts erfüllen und ist daher zwingend notwendig.

(Mögliche) Funktionsweise des Kulturtests

Im Rahmen der Zertifizierung eines Gameprojekts soll anhand eines Punktesystems eine Prüfung des Videospiels vorgenommen werden. Dabei muss das jeweilige Game eine Mindestpunktzahl erreichen, um den Kulturtest bestehen und damit eine wichtige Voraussetzung für die steuerliche Förderung erfüllen zu können. Das britische Modell bietet hierbei eine plastische Vorlage, wie ein Kulturtest aussehen könnte:

Im britischen Modell können maximal 31 Punkte im Rahmen des Kulturtests erreicht werden. Das Spiel bzw. Spieleprojekt muss mindestens 16 Punkte erreichen, um den Test zu bestehen.

  • Im Zusammenhang mit der erste Kategorie „cultural content“ wird beispielsweise geprüft, ob das „set“ des Videospiels im Vereinigten Königreich oder im Europäischen Wirtschaftsraum liegt, ob also das Gameplay dort verortet ist. Sofern dies der Fall ist, können bis zu 4 Punkte vergeben werden. Die gleiche Punktzahl kann erreicht werden, wenn die Hauptfiguren aus dem Vereinigten Königreich oder dem Europäischen Wirtschaftsraum „stammen“. Es werden auch (bis zu) 4 Punkte vergeben, sofern das Videospiel eine britische Geschichte bzw. Erzählung umsetzt oder die Dialoge im Spiel auf Englisch stattfinden.
  • Im Rahmen der zweiten Kategorie „cultural contribution“ wird geprüft, ob das Game die Entwicklung oder Erweiterung der britischen Kultur fördert. Dies ist im britischen Test sehr abstrakt gehalten und wird nicht näher konkretisiert. Sofern diese Frage mit ja beantwortet werden kann, werden bis zu 4 Punkte vergeben.
  • Die dritte Kategorie „cultural hubs“ enthält zwei Prüfungspunkte: Sofern mindestens 50% der Programmierung, konzeptionellen Entwicklung oder storyboarding im Vereinigten Königreich vorgenommen werden, werden 2 Punkte vergeben. 1 Punkt wird zusätzlich vergeben, wenn die Musik- und Audio-Produktion im Vereinigten Königreich stattfindet.
  • Im Rahmen der letzten Kategorie „personnel“ werden insgesamt bis zu 8 Punkten vergeben, wenn beispielsweise, der Projektleiter, ein Drehbuchautor, ein Komponist, Programmierer und/oder 50% des Entwicklungsteams Staatsangehörige eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums sind.

Kriterien des Kulturtests bewusst offen gelassen

Insgesamt ist es durchaus denkbar, dass der britische Kulturtest in abgewandelter Form auch in Deutschland für den Modellentwurf adaptiert werden kann. Der genaue Inhalt eines Kulturtests für den deutschen Modellentwurf wurde indes bewusst noch nicht definiert, da u.a. die Überprüfung des britischen Fördermodells durch die EU-Kommission abgewartet werden soll.

Die Ergebnisse dieser Prüfung sollen in die Gestaltung des deutschen Kulturtests einfließen, um ihn rechtssicher zu gestalten. Außerdem soll gerade bei dieser Frage eine breite und ergebnisoffene Diskussion in Branche und Politik möglich sein, die nicht durch einen zu konkreten Entwurfstext gelenkt werden soll.

Das Mindestbudget

Ein weiterer Diskussionspunkt war die vermeintlich hohe „Aufwendungsgrenze“ von EUR 200.000 (innerhalb von 5 Jahren), um eine steuerliche Förderung überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Zunächst: Diese Grenze ist nicht in „Stein gemeißelt“, insbesondere ihrer Höhe nach nicht durch das EU-Recht vorgegeben. Sie orientiert sich am französischen Modell, das bei seiner Schaffung eine ähnliche Grenze vorgesehen hat.

Es ist zu berücksichtigen, dass die Grenze von EUR 200.000 (erst) bis zur Veröffentlichung des Spiels erreicht werden muss. Teilweise bot die öffentliche Diskussion den Eindruck, als wäre die Grenze als Jahresbudget aufgefasst worden – das ist sie nicht. Vielmehr muss nur innerhalb von (maximal) 5 Jahren die Aufwendungsgrenze von EUR 200.000 überschritten sein, d.h. das Entwicklerstudio muss innerhalb von 5 Jahren (förderungsfähige) Aufwendungen von insgesamt EUR 200.000 haben. Das entspricht einem Jahresbudget von EUR 40.000, was auch bei kleineren Entwicklungsprojekten allein mit Personalkosten schnell erreicht wird. In diese Summe der (förderungsfähigen) Aufwendungen fallen aber nicht nur Personalkosten, sondern auch Kosten für die Abschreibung von Wirtschaftsgütern, Kosten für die Unterbeauftragung anderer Entwicklerstudios (hier sind EU-rechtlich motivierte Grenzen zu beachten), sowie Kosten für Lizenzen und für den Erwerb von Software, welche insgesamt in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Entwicklung des Spiels stehen.


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