Miniserie Verbraucherschutzrecht (Teil 1) – Die wichtigsten Änderungen für den Online-Handel im Überblick

Die neue EU-Verbraucherrechterichtlinie hat ganz Europa in Aufregung versetzt. Die Richtlinie soll dafür sorgen, dass in Europa ein einheitliches Verbraucherschutzniveau herrscht, insbesondere beim Online-Handel. In Deutschland sieht man die Umsetzung dieser Richtlinie jedoch eher gelassen, da hier auch vorher schon ein vergleichsweise hohes Schutzniveau bestand. Doch hat sich sich in Deutschland wirklich nichts geändert?

Doch! Unternehmen, die in Deutschland am Markt sind, müssen jetzt umfassende  Änderungen im deutschen Verbraucherschutzrecht berücksichtigen. Das entsprechende Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ist am 13. Juni 2014 in Kraft getreten. Dieses Gesetz bringt insbesondere im Bereich des Widerrufsrechtes zahlreiche Änderungen mit sich. Online-Händler sollten daher umgehend ihre Widerrufsbelehrung, ihre AGB sowie die betroffenen Prozesse auf der Plattform an die neuen gesetzlichen Vorgaben anpassen. Dieser Beitrag zeigt die für den Online-Handel wichtigsten Änderungen im Überblick.

Ausdrückliche Widerrufserklärung des Verbrauchers erforderlich

Nach bislang geltender Rechtslage konnte der Verbraucher einen online abgeschlossenen Vertrag schon dadurch widerrufen, dass er die erhaltene Ware kommentarlos an den Unternehmer zurücksendet. Dadurch entstand für den Unternehmer oftmals das Problem, dass er nicht wusste, ob der Verbraucher durch die Rücksendung einen Widerruf oder Nacherfüllung geltend machen will. Nach neuer Rechtslage muss der Verbraucher den Widerruf daher ausdrücklich gegenüber dem Unternehmer erklären. Eine Erklärung in Textform ist hierbei jedoch nicht mehr erforderlich. Der Widerruf kann vielmehr formlos, z. B. auch telefonisch, erklärt werden. Hierbei können jedoch im Streitfall Beweisprobleme entstehen, sodass auch aus Sicht des Unternehmers eine Bestätigung des Widerrufs, z. B. durch eine automatische Bestätigung-E-Mail, zu empfehlen ist, um den Vorgang ordnungsgemäß zu dokumentieren.

Zusätzliches Muster-Widerrufsformular

Um dem Verbraucher die Ausübung seines Widerrufsrechts zu erleichtern, muss der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung auch darüber informieren, dass der Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular nutzen kann. Der Unternehmer muss ihm dieses Formular zur Verfügung stellen, z. B. indem er es dem Paket beilegt. Optional kann der Unternehmer dem Verbraucher auch die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf seiner Webseite auszufüllen und zu übermitteln. Macht der Verbraucher von der Möglichkeit des Online-Widerrufs Gebrauch, muss der Unternehmer ihm unverzüglich den Zugang seines Widerrufs bestätigen, z. B. durch Versendung einer automatischen Bestätigungs-E-Mail.

Abschaffung des unbefristeten Widerrufsrechts

Die Widerrufsfrist beträgt auch nach neuer Rechtslage 14 Tage. Bislang begann diese Frist jedoch nicht zu laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht oder nicht richtig belehrt hatte. Dies hatte zur Folge, dass der Verbraucher den Vertrag schon bei kleinsten Fehlern in der Widerrufsbelehrung auch noch Jahre später widerrufen konnte. Diese Gefahr besteht nun nicht mehr. Die Widerrufsfrist beträgt nunmehr auch bei fehlerhafter oder unterlassener Widerrufsbelehrung höchstens ein Jahr und 14 Tage ab Lieferung der Ware bzw. bei Dienstleistungen ab Vertragsschluss. Eine fehlende Widerrufsbelehrung hat jedoch zur Folge, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, nach einem Widerruf Wertersatz für die Benutzung der Sache zu leisten.

Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen und digitalen Inhalten

Das Widerrufsrecht erlischt bei Dienstleistungsverträgen, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Erbringung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dem ausdrücklich zugestimmt hat. Zudem muss der Verbraucher ausdrücklich erklären, dass er davon Kenntnis genommen hat, dass sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt. Diese Erklärung kann auf einer Webseite z. B. durch das Anklicken einer Checkbox erfolgen. Ob der Verbraucher die seinerseits geschuldete Leistung erbringt, ist dagegen unerheblich. Dadurch wird verhindert, dass der Verbraucher das Erlöschen des Widerrufsrechts durch eine spätere Zahlung des geschuldeten Entgelts hinauszögern kann.

Bei Verträgen über die Lieferung digitaler Inhalte ist das Erlöschen des Widerrufsrechts ähnlich geregelt. Hier reicht es jedoch schon aus, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung begonnen hat, etwa durch Beginn der Übermittlung einer MP3-Datei. Dies gilt jedoch nur, wenn der Verbraucher dazu vorher seine ausdrückliche Zustimmung gegeben und gleichzeitig bestätigt hat, dass er weiß, dass er sein Widerrufsrecht mit Beginn der Vertragsausführung verliert.

Rückabwicklungsmodalitäten

Im Falle eines Widerrufs sind die empfangenen Leistungen durch beide Parteien zurückzugewähren. Nach neuer Rechtslage gilt hierfür eine Frist von 14 Tagen. Diese Frist beginnt für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Die Rechte des Unternehmers werden dabei dadurch gestärkt, dass er bei Verbrauchsgütergeschäften ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. So kann der Unternehmer die Rückzahlung des von dem Verbraucher geleitesten Entgelts verweigern, bis er die Ware zurückerhalten hat oder der Verbraucher nachweist, dass er sie abgesendet hat.

Hin- und Rücksendekosten

Nach zahlreichen Streitigkeiten um die Kostentragung für die Hin- und Rücksendung der Ware nach einem Widerruf, hat der Gesetzgeber diese Frage nun ausdrücklich gesetzlich normiert. Danach sind die Kosten für die Hinsendung der Ware von dem Unternehmer zu tragen. Dies gilt jedoch nicht, soweit der Verbraucher nicht den Standardversand gewählt hat, sondern etwa einen teureren Expressversand. In diesem Fall hat der Unternehmer nur die Kosten des Standardversands zu erstatten.

Die Kostentragungspflicht für die Rücksendung der Ware trifft nunmehr – unabhängig von dem Preis der bestellten Ware – den Verbraucher. Die bislang geltende sogenannte „40-Euro-Regelung“ ist somit hinfällig. Allerdings muss der Verbraucher die Rücksendekosten dann nicht tragen, wenn der Unternehmer diese übernommen hat oder er von dem Unternehmer auf die Kostentragungspflicht im Falle eines Widerrufs nicht hingewiesen worden ist. Der Hinweis auf die Tragung der Rücksendekosten sollte schon in der Widerrufsbelehrung erfolgen.

Fazit

Während durch die EU-Verbraucherrichtlinie in einigen europäischen Staaten erstmals ein angemessener Verbraucherschutz beim Online-Handel etabliert wird, besteht im deutschen Widerrufsrecht bereits ein vergleichsweise hohes Schutzniveau. Dennoch sollten sich Online-Händler, die auf dem deutschen Markt tätig sind, allerspätestens jetzt mit den Neuerungen befassen. Die bloße Änderung der Musterbelehrung genügt bei dieser Gesetzesänderung nicht, da auch die AGB sowie die Prozesse auf der Plattform angepasst werden müssen


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