USA: Pflicht zur barrierefreien Gestaltung von Spielen

In den USA angebotene Kommunikationsdienste müssen nach dem Twenty-First Century Communications and Video Accessibility Act (CVAA) seit 2012 auch Features beinhalten, die Menschen mit Behinderungen eine Nutzung erleichtern bzw. ermöglichen. Da bei Videospielen traditionell das Gameplay als solches und nicht die Kommunikation mit anderen Spielern im Vordergrund stand, galt für sie bislang eine Ausnahme. Diese ist aber zum 1. Januar 2019 ausgelaufen. Neue Spiele mit Kommunikationsfunktionen (z.B. Text-, Voice- oder Videochat) müssen in den USA künftig ebenfalls behindertengerecht gestaltet werden, soweit das möglich ist. Bei Verstößen kann die Aufsichtsbehörde, die Federal Communications Commission (FCC), zur Abhilfe auffordern und nötigenfalls Bußgelder verhängen.

Für welche Spiele gilt die Pflicht?

Betroffen sind zunächst alle Spiele mit Kommunikationsfunktionen, die ab dem 1. Januar 2019 erstmals auf den Markt kommen. Die Vorschrift beschreibt die Kommunikationsfunktionen absichtlich nur sehr vage, um auch künftige Entwicklungen (etwa im XR-Bereich) erfassen zu können.

Aber auch ältere Titel müssen bestehende Barrieren abbauen, wenn ein „substantielles Upgrade“ erfolgt. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird erst die Durchsetzungspraxis der FCC zeigen. So erscheint es fraglich, ob ein reines Content-Update eines Onlinespiels (Maps, Items, Quests…), mag es auch umfangreich sein, schon die Pflicht zur Barrierefreiheit auslöst, da damit kein nennenswerter Eingriff in die eigentliche Programmierung erfolgt. Werden neue Features eingeführt, insbesondere wenn diese mit Kommunikationsfunktionen zu tun haben, liegt es aber nahe, von einem substantiellen Upgrade auszugehen.

Was müssen Anbieter konkret tun?

Natürlich ist es kaum möglich, Kommunikationsfunktionen in einem Spiel für Menschen mit jeder denkbaren Behinderung nutzbar zu machen. Erste Veröffentlichungen legen nahe, dass die Behörden hauptsächlich Seh- und Hörbehinderungen, aber auch gewisse motorische Einschränkungen im Blick haben. Zu den Beispielen für barrierefreie(re) Gestaltung zählen dementsprechend

  • Untertitelung gesprochener Sprache (ggf. automatisch/in Echtzeit)
  • Automatische Sprachausgabe geschriebenen Textes
  • Automatische Umwandlung gesprochenen Textes in geschriebenen Text
  • Einstellbare Displaymodi für verschiedene Sehbehinderungen (z.B. besondere Farmschemata oder Schwarzweiss-Darstellung für Farbenblinde)
  • Konfigurierbare Tastenbelegungen

Eine wichtige Einschränkung macht das Gesetz jedoch: Die barrierefreie Gestaltung ist nur verpflichtend, soweit sie „erreichbar“ („achievable“) ist. Die FCC beurteilt dies nach dem typischen Vernunftmaßstab des Common Law: Erreichbar soll sein, was angesichts der Kosten, des technischen Aufwands, der Größe des Anbieters und seines Geschäftsmodells vernünftigerweise geleistet werden kann. Hier wird sich eine halbwegs verlässliche allgemeine Richtschnur erst im Laufe der Zeit anhand einer größeren Anzahl von Einzelfallentscheidungen ergeben.

Blick nach Europa

Auch die jüngst aktualisierte EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) erwähnt die Zugänglichkeit von Angeboten für seh- und hörbehinderte Menschen. Nach Art. 7 (1) der Richtlinie müssen Mitgliedsstaaten in ihrem nationalen Recht „geeignete Maßnahmen“ vorsehen, damit der Zugang zu solchen Diensten für Menschen mit Behinderungen durch „stetig und schrittweise verbessert“ wird. Konkretere Vorgaben macht die Richtlinie nicht.

Zwar soll die Richtlinie nach ihrem Erwägungsgrund 22 nicht für „Online-Spiele“ gelten, doch findet sich diese Einschränkung im Text der der Richtlinie selbst so nicht wieder. In jedem Fall erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber künftig (auch) für den Games-Bereich, oder zumindest die in Spielen verwendeten Kommunikationsfeatures, Mindestanforderungen für die Barrierefreiheit definiert. Unternehmen, die bereits die amerikanischen Anforderungen berücksichtigen, werden dann die Nase vorn haben.


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