Appellations-was? Das Ringen um die Alterskennzeichnung von Dead Space 2

Zum ersten Mal in der Geschichte der USK schießt eine Oberste Landesjugendbehörde kurz vor Toresschluss quer: Das bayerische Sozialministerium hat das „Appellationsverfahren“ aus dem juristischen Dornröschenschlaf geweckt und möchte damit die von einem Prüfgremium der USK nach reichlich Hin und Her empfohlene Alterskennzeichnung des Horror-Action-Spiels „Dead Space 2“  noch verhindern – was weder Publisher Electronic Arts noch den Fans gefällt. Ohne Alterskennzeichen könnte das Spiel zwar grundsätzlich auch verkauft werden, es droht dann aber eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Für uns ist die Geschichte ein Anlass, einmal den juristischen Hintergrund dieses Appellationsverfahrens zu beleuchten:

Die Altersfreigabe von Computerspielen wird innerhalb der USK in einem Zusammenspiel von ehrenamtlichen Prüfern und einem Vertreter einer Obersten Landesjugendbehörde (OLJB) erteilt, der das Ergebnis des Prüfgremiums freigibt und damit das Alterskennzeichen verbindlich macht. Zum Verfahren der USK macht das JuSchG nur einige Andeutungen, eine detaillierte Regelung erfährt es in den USK-Grundsätzen.

Diese Grundsätze sehen in§§ 12 bis 15 (früher §§ 6 bis 9) bereits eine Art „Instanzenzug“ innerhalb der USK vor: Gegen die Entscheidung eines Prüfgremiums ist ein Berufungsverfahren, gegen die Berufungsentscheidung noch das Beiratsverfahren zulässig. Bevor aber nach Abschluss des Beiratsverfahrens eine Freigabe erteilt wird, erhalten die OLJB aller Bundesländer (in der Regel die jeweiligen Sozial- oder Familienministerien) nochmals Gelegenheit, zu widersprechen und eine erneute Prüfung zu verlangen, was nun erstmals geschehen ist. Diese von der USK in§ 15 (früher  § 10) der Grundsätze „Appellationsverfahren“ getaufte Möglichkeit ist – etwas versteckt und verklausuliert – am Ende von § 14 Abs. 6 Satz 2 JuSchG verankert, der immer den einzelnen Ländern eine letztgültige Entscheidung vorbehalten will.

Innerhalb von 10 Tagen nach der Prüfungssitzung im Beiratsverfahren kann jedes Land das Appellationsverfahren einleiten – und dann muss erneut geprüft werden. Mit Dead Space 2 muss sich die USK im Januar dann zum sechsten Mal befassen. Anders als in den vorherigen „Instanzen“ entscheidet allerdings jetzt ein Gremium, das nicht mehr mehrheitlich mit ehrenamtlichen Prüfern, sondern ausschließlich mit Vertretern der OLJB besetzt ist. Würde das Kennzeichen dort verweigert, bliebe dem Publisher nur noch der Gang vor das Verwaltungsgericht.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist an dem USK-Prüfverfahren im Übrigen nur ausnahmsweise beteiligt: Hat das USK-Gremium Zweifel, ob ein Spiel noch ein Alterskennzeichen erhalten kann oder die Schwelle zur Jugendgefährdung schon überschreitet, kann es eine „gutachterliche Stellungnahme“ eines BPjM-Gremiums einholen (§ 14 Abs. 4 S. 3 JuSchG; § 10 Abs. 10 USK-Grundsätze – früher „Entscheidung“ nach § 17 Abs. 5 USK-Grundsätze), an der es sich für das weitere Verfahren orientieren wird. Anders als in der Spielepresse zum Fall Dead Space teilweise zu lesen ist, nimmt die BPjM selbst aber keine Alterskennzeichnung vor.

[Update 13.01.2011] Dead Space 2 hat heute das USK-Kennzeichen „Keine Jugendfreigabe“ bekommen und wird im Februar erscheinen.

[Update 09.02.2011] Die USK-Grundsätze sind zum 01.02.2011 neu gefasst worden, dabei haben sich auch die „Hausnummern“ geändert. Wir haben die Verweise auf einzelne Vorschriften entsprechend angepasst.


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