(Jetzt auch) BGH: Onlinepoker ist erlaubnispflichtiges Glücksspiel

Poker – jedenfalls in der auf Onlinepokerplattformen sehr beliebten Variante Texas Hold’em – ist nach Auffassung des BGH ein – erlaubnispflichtiges – Glücksspiel (Az. I ZR 93/10; Volltext). Das Gericht schließt sich damit der Einschätzung der Oberverwaltungsgerichte Lüneburg (Az. 11 ME 67/09; Volltext) und Münster (Az. 13 B 775/09; Volltext) sowie des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Az. 6 S 1685/10; Volltext) an. Anlass für uns, noch einmal einige auch für Anbieter von Onlinespielen hoch relevante Grundmuster des Glücksspielrechts zu beleuchten:

Glücks- und Geschicklichkeitsspiele

Bei der rechtlichen Einordnung von Spielen ist zunächst zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspielen zu unterscheiden. Bei einem Glücksspiel entscheidet über Gewinn und Verlust überwiegend der Zufall, also unberechenbare, dem Einfluss der Beteiligten entzogenen Faktoren. Bei einem Geschicklichkeitsspiel hängen Gewinn und Verlust von Wissen, Talent und Fähigkeiten des Spielers ab.

Unterhaltungsspiele

Glücksspiele unterliegen grundsätzlich einer strengen Regulierung. Veranstaltung und Teilnahme an unerlaubten Glücksspielen sind nach §§ 284, 285 StGB strafbar. Nicht erlaubnispflichtig sind aber so genannte „Unterhaltungsspiele“, die zwar ihrem Wesen nach Glücks- und nicht Geschicklichkeitsspiele sind, bei denen aber nur mit ganz geringfügigen, „unerheblichen“ Einsätzen gespielt wird. Eine feste Wertgrenze besteht insoweit nicht, allgemein wird aber davon ausgegangen, dass jedenfalls ein Einsatz von 50 Cent noch in diesem Sinne „unerheblich“ ist.

Das Urteil des BGH

Poker ist Glücksspiel

Um das in weiten Kreisen sehr beliebte Texas Hold’em wogt seit einiger Zeit eine leidenschaftliche Debatte über die Frage, ob dabei denn nun Glück oder Geschicklichkeit im Vordergrund stehe. Verfechter einer Einordnung als Geschicklichkeitsspiel weisen etwa darauf hin, dass es bei einem reinen Glücksspiel kaum plausibel sei, dass sich international eine Gruppe konstant besonders erfolgreicher Spieler herausbilde, wie das beim Poker der Fall sei.

Anderer Ansicht ist aber die deutsche Rechtsprechung. In einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 28. September 2011 hat das Gericht in Einklang mit den Oberverwaltungsgerichten seine alte Rechtsprechung zum so genannten „Hütchenspiel“ fortgeführt und entschieden, dass für die Einordnung als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel

nicht mehr als durchschnittliche Fähigkeiten eines Spielers maßgeblich sind. Unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können.

Unter dieser Prämisse sei Texas Hold’em ein Glücksspiel. Denn, so die Vorinstanz richtig,

der Gewinn eines Spielers richte sich danach, ob seine Mitspieler früher ausstiegen als er und welche Karten sie letztlich offenlegten. Auch der Erfolg eines Bluffs sei von der aus Sicht des Spielers, der dieses Mittel nutze, ungewissen Reaktion der Mitspieler abhängig. Zwar stünden die im Falle des Showdowns schließlich aufzudeckenden Karten bereits vorher fest, der jeweilige Spieler könne davon aber keine sichere Kenntnis haben.

Poker ist kein Unterhaltungsspiel

Das Urteil enthält noch eine weitere Passage von erheblicher Sprengkraft über die reinen Pokerplattformen hinaus. Das Gericht bestätigt nämlich auch die Ansicht der Vorinstanz, wonach auch bei einem an und für sich „unerheblichen“ Einsatz von 50 Cent pro Spiel die Voraussetzungen für eine Einordnung als „Unterhaltungsspiel“ nicht gegeben sind. Das Argument hierfür ist, dass Spieler sich typischerweise nicht auf ein einziges Spiel beschränken, sondern, wie allgemein bei Glücksspielen, eine Tendenz bestehe,

dass ein Spielteilnehmer typischerweise gerade nicht geringfügige Verluste hinnehme und das Spiel beende, sondern sich erhoffe, durch eine Fortsetzung des Spiels den Verlust nicht nur wieder auszugleichen, sondern darüber hinaus den von Anfang an erhofften Gewinn zu erzielen.

Fazit

Die beiden referierten Aussagen zum Spiel Texas Hold’em sind nicht gänzlich überraschend, entsprechen sie doch den Erwägungen der Vorinstanz und anderer Gerichte. Im Zusammenspiel sind sie allerdings nicht völlig konsequent. Gerade beim Poker hängt zwar der Ausgang des einzelnen Spiels maßgeblich von den zufälligen Faktoren – etwa die zufällige Verteilung der Karten – ab. Werden aber, wovon die Gerichte ja ausgehen, üblicherweise zahlreiche Spiele hintereinander absolviert, so steigt der Einfluss der persönlichen Strategie und des Könnens des Spielers deutlich.

In jedem Fall ist die Position des BGH zur Frage des Unterhaltungsspiels auch auf andere Spielgestaltungen übertragbar, von Call-in-Shows bis hin zum virtuellen Würfelspiel am Wirtshaustisch eines Mittelalter-Online-Rollenspiels. Bei der Gestaltung von Zufallselementen in Spielen mit virtueller Währung ist also (weiterhin) besondere Vorsicht geboten.

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