Klare Kennzeichnungspflichten für Influencer in Sicht?

Ohne Kennzeichnung ihrer Beiträge begeben sich Influencer derzeit in ein rechtliches Haifischbecken. Um das zu ändern, hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) am 13. Februar 2020 einen in der Social Media Branche lang ersehnten Regelungsvorschlag veröffentlicht. Danach soll eine Werbekennzeichnung solcher Posts nicht mehr notwendig sein, die ohne Gegenleistung erfolgen und vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen. Dieser Vorstoß der Politik dürfte insbesondere die zuletzt durch eine uneinheitliche Rechtsprechung verunsicherten Influencer und Blogger freuen.

Zwar sind die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen an die Kennzeichnung von werblichen Beiträgen auf den ersten Blick klar. In der Praxis ergeben sich jedoch oft Auslegungsschwierigkeiten, die zu einer uneinheitlichen und teils widersprüchlichen Entscheidungspraxis der deutschen Gerichte führen. Nachdem wir uns schon in den Beiträgen „Neues zur Kennzeichnungspflicht von Influencern Teil 1 und  Teil 2“ mit dieser Problematik beschäftigt haben, setzen wir uns nunmehr auch mit dem Lösungsvorschlag des Bundesministeriums auseinander.

Derzeitiger Stand

Die bisherigen Entscheidungen deutscher Gerichte werfen noch immer einige Fragen zur Kennzeichnung von Influencer-Beiträgen auf Social Media Plattformen auf. Aus Sicht der Influencer besteht derzeit große Unsicherheit, wann ein Beitrag kennzeichnungspflichtig ist.

Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist dabei entscheidend, ob es sich bei dem Beitrag um eine „geschäftlichen Handlung“ im Sinne des § 2 UWG handelt. Nach § 5a Abs. 6 UWG müssen solche Posts grundsätzlich gekennzeichnet werden, um eine Irreführung der Verbraucher über den kommerziellen Zweck der Handlung von vorneherein zu vermeiden.

Während die ersten Entscheidungen zum Influencer Marketing vorranging darauf abstellten, ob der Influencer eine Gegenleistung für die werbliche Darstellung eines Produkts erhielt (so z.B. OLG Celle, Az. 13 U 53/17 oder KG, Az. 5 W 221/17), fasst die jüngere Rechtsprechung den Begriff der geschäftlichen Handlung weiter und verlangt eine Kennzeichnung in der Regel auch bei unbezahlter Darstellung eigenständig erworbener Produkte. Grund hierfür ist, dass der Influencer mit seinen Beiträgen jedenfalls (auch) sein eigenes Geschäft fördere.

Auf eine Gegenleistung im Einzelfall komme es gar nicht an, weil jeder Beitrag im Gesamtgefüge der Förderung der eigenen Authentizität und damit des eigenen Unternehmens diene (LG Karlsruhe, Az. 13 O 38/18). Auch das OLG Frankfurt bestätigte kürzlich, dass unbezahlte Influencer-Beiträge vorrangig dazu diene, künftige Kooperationen voranzutreiben und auf diese Weise das eigene Geschäft zu fördern (OLG Frankfurt, Az. 6 W 68/19). Gerade das Verlinken einer Unternehmensseite oder einer Marke im eigenen Beitrag (mittels sog. Tap Tags), stelle eine geschäftliche Handlung dar, da anzunehmen sei, dass hierdurch die Förderung des Produktabsatzes zugunsten des verlinkten Unternehmens bezweckt werde (z.B. KG Berlin, Az. 5 U 83/18).

Diese im Ergebnis doch sehr weitgehende Pflicht zur Kennzeichnung überraschte die meisten Akteure der Werbebranche, da sie über die im Print geltende Kennzeichnungspflicht hinausgeht. Aus Angst vor Abmahnungen und dem damit einhergehenden Kostenrisiko, war eine exzessive (Über-)Kennzeichnung der Influencer und Blogger zu beobachten.

Kehrseite der Über-Kennzeichnung

Seither bleibt kaum ein Influencer-Beitrag ungekennzeichnet. Sogar die Markierung von anderen Usern wird oftmals als Werbung gekennzeichnet. Dies geschieht teils humorvoll provokativ, teils aus Sorge vor weiteren Abmahnungen, insbesondere wenn die Markierten selbst kommerziell als Influencer tätig sind.
Schnell wurden Stimmen laut, dass diese Entwicklung den Sinn und Zweck des hinter der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht stehenden Trennungsgrundsatzes und Transparenzgebotes torpediere und konterkariere.

Die oftmals jugendlichen Adressaten sehen sich einer Flut aus gekennzeichneten Beiträge ausgesetzt. Eine Unterscheidung, welche Beiträge ihrer Lieblings-Influencer nun tatsächlich Werbung sind, ist nicht möglich, sodass die Kennzeichnung insgesamt ins Leere läuft. Zwar bemühen sich einige Influencer um eine Klarstellung durch weitere Hinweise, in denen sie die Hintergründe des Posts beschreiben: zum Beispiel durch Angaben dazu, ob sie das Produkt selbst erworben haben oder ob sie für den Beitrag eine Gegenleistung erhalten haben. Dieses Verhalten erfolgt aber „freiwillig“ und ist nicht Gang und Gäbe.

Transparenz bietet die aktuelle Kennzeichnungspraxis trotz vereinzelter Klarstellungsbemühungen jedenfalls nicht.

Vorschlag des Bundesministeriums

Das Bundesministerium plant die Einführung einer Legaldefinition für den Begriff der geschäftlichen Handlung. Diese soll die Rechtslage nicht verändern, sondern lediglich als Klarstellung fungieren. Das Ministerium macht die Kennzeichnungspflicht dabei von den folgenden zwei Aspekten abhängig:

  1. Erhält der Influencer eine Gegenleistung? und
  2. Worin besteht der vorrangige Zweck der Handlung?

So heißt es im Vorschlag: „Ein kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn diese vorrangig der Information und Meinungsbildung dient und für diese kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gewährt wurde.“ Die Förderung des eigenen Geschäfts soll der neuen Kennzeichnungsfreiheit dabei nicht entgegenstehen: Der Beitrag muss lediglich vorranging nicht kommerziellen Zwecken dienen; ein nachrangiger kommerzieller Zweck soll gerade nicht hinderlich sein.

Ausblick

Die geplante Klarstellung dürfte die Akteure der Werbebranche freuen und trifft bei allen Beteiligen auf offene Ohren. Eine Kennzeichnung wäre danach obsolet bei einer unentgeltlich erfolgten Empfehlung auf Basis einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Produkt oder einer Dienstleistung. Im Ergebnis bezweckt die Klarstellung damit eine Angleichung der Behandlung von Social Media Beiträgen der Influencer an die klassischen Printmedien. Die unterschiedliche Behandlung der Medien wurde in der Vergangenheit wiederholt kritisiert. Auch dürfte die Klarstellung Auswirkungen auf die aktuelle Kennzeichnungspraxis haben.

Bis Mitte März kann zu dem veröffentlichten Reformvorschlag des Ministeriums Stellung genommen werden. Bis der Regelungsvorschlag (sei es in dieser oder in veränderter Form) in die Tat umgesetzt wird, dürfte es aber noch dauern. Denn es bestehen Zweifel, ob eine Anpassung des UWG überhaupt möglich ist. Das deutsche UWG setzt die europäische UGP-Richtlinie um, die verbraucherschützende Regelungen abschließend regelt. In der UGP-Richtlinie fehlt die entsprechende klarstellende Regelung. Das Ministerium hat daher angekündigt, die geplante Reform eng mit der Europäischen Kommission abzustimmen.

Vielen Dank an Samantha Wowrzyk für die Mitarbeit an diesem Beitrag.


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