LG Hamburg: Bot-Anbieter muss neben deutschen IP-Adressen auch ausländische Proxies aussperren

Im Hamburger Dauerstreit um Bots für Onlinespiele gibt es eine neue Entwicklung, die auch jenseits der Games-Branche erhebliche Auswirkungen haben dürfte. Das Landgericht Hamburg hat einem Anbieter von Bots ein Ordnungsgeld von EUR 10.000 auferlegt, weil dieser den Zugriff auf die verbotenen Produkte für deutsche Nutzer nur unzureichend unterbunden hatte. Die Schuldnerin hatte nämlich zwar deutsche IP-Adressen ausgesperrt und nahm auch keine Zahlungen mit „deutschen“ Zahlungsmitteln mehr an. Die Webseite war aber für Nutzer mit geographischem Standort innerhalb Deutschlands weiterhin erreichbar, wenn sie keine deutsche IP-Adresse verwendeten, insbesondere also beim Einsatz von Proxy-Servers oder Virtual Private Networks (VPNs) mit Standort im Ausland.

Die Entscheidung

Die von der Schuldnerin getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung des Verbotes hat das Gericht in seinem Beschluss vom 6. Juni 2014 (Az.: 312 O 322/12; Volltext) indes nicht für ausreichend befunden. Die Zielgruppe des verbotenen Produktes bestehe aus Nutzern mit überdurchschnittlicher Interneterfahrung. Jedenfalls bei einer solchen Zielgruppe sei damit zu rechnen, dass sie auch Proxy-Server benutze, um Sperren im Netz zu umgehen. Die Unterlassungsverfügung verpflichte die Schuldnerin dazu, alle im konkreten Fall erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die einen Bezug des Bots aus Deutschland heraus erschwerten oder verhinderten – dazu gehöre auch, dass sie den Zugriff auf die Seite über Proxy-Server und VPNs unterbinde.

Mit diesem Beschluss deutet das LG Hamburg einen Paradigmenwechsel der Rechtsprechung zur Sperrung Inhalten im Internet an. Noch vor einigen Jahren hatte das VG Düsseldorf im Rahmen einer Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Sperrungsverfügung auf Grundlage des Glücksspiel-Staatsvertrages gegen einen Content-Provider geurteilt, dass eine Umgehung von Zugangssperren per Proxy-Server und VPN nicht ganz ausgeschlossen, dieser Umstand aber „in der Praxis … hinnehmbar“ sei, also gerade keinen Verstoß gegen die Verfügung darstelle, dies insbesondere auch wegen der technischen Schwierigkeiten und Beschränkungen beim Einsatz solcher Dienste (VG Düsseldorf, Beschluss v. 22. Juli 2010, Az. 27 L 1469/09). Für das LG Hamburg dagegen wiegen etwaige technischen Schwierigkeiten offenbar nicht mehr so schwer. Allerdings stellt das Gericht auf die besondere Zusammensetzung der Zielgruppe ab, was die Allgemeingültigkeit der rechtlichen Bewertung wieder etwas relativieren könnte.

Die strengere Sichtweise des LG Hamburg wirft zudem die Frage auf, inwieweit die angemahnte „Diensterkennung“ technisch überhaupt umsetzbar ist, ob also eine eingehende Verbindung überhaupt automatisch als Proxy- oder VPN-Verbindung erkannt werden kann. Die Gläubigerin hatte dies offenbar vorgetragen, die Schuldnerin nicht bestritten. Letzteres überrascht, denn in der Pauschalität, in der sie in der Begründung des Beschlusses anklingt, dürfte die Aussage nicht zutreffen. Im Ergebnis wird die Schuldnerin die Anforderungen des Gerichts aber wohl nur erfüllen können, wenn sie bekannte IP-Adress-Bereiche kommerzieller Proxy-Dienste zusätzlich zu den deutschen IP-Adressen in Sperrlisten aufnimmt und damit Zugriffsmöglichkeit aus Deutschland heraus weiter einschränkt.

Fazit und Ausblick

Für Unterlassungsschuldner wird es künftig aufwendiger, die Verbreitung bestimmter Informationen im Internet beschränkt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen. Das Minimalprogramm – Sperrung deutscher IP-Adressblöcke – genügt nicht mehr ohne Weiteres den Anforderungen der Rechtsprechung.

Eine ausführlichere Analyse der Entscheidung gibt es im Blog CR-online.


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