LG Köln: Strenge Anforderungen an den Verzicht auf das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten

In einem jetzt bekannt gewordenen (aber noch nicht rechtskräftigen) Urteil hat das LG Köln sich mit den Anforderungen an den Verzicht auf das Widerrufsrecht für digitale Inhalte beschäftigt und dabei eine sehr strenge Auslegung der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen. Nach Ansicht der Richter soll es nicht möglich sein, die Verzichtserklärung mit der Erklärung über den Vertragsschluss zu verbinden. Damit setzt sich das Gericht allerdings in Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Karlsruhe.

Hintergrund

Bei der Einführung eines Verbraucher-Widerrufsrechts für digitale Inhalte im Rahmen der Verbraucherrechte-Richtlinie hat der EU-Gesetzgeber erkannt, dass in vielen Fällen ein digitaler Inhalt (wie beispielsweise ein gestreamter Film oder ein nur einmalig verwendbares Item in einem Onlinespiel) seinen Zweck innerhalb sehr kurzer Zeit erfüllt und zudem nicht wie eine Ware „zurückgegeben“ werden kann. Um den Missbrauch des Widerrufsrechts zu verhindert, hat er Anbietern die Möglichkeit gegeben, vom Verbraucher einen Verzicht auf das Widerrufsrecht einzuholen. Die formellen Anforderungen daran, wie diese Erklärung jedoch abzugeben ist, werden von der Rechtsprechung teilweise in lebensferner Strenge ausgelegt.

Der Fall

Auf einer Distributionsplattform für digitale Inhalte hatte der Anbieter direkt oberhalb des „Kaufen“-Buttons den Hinweis erteilt, dass der Nutzer mit Anklicken dieses Buttons die Zustimmung erteile, dass die Bestellung sofort ausgeführt werde und der Nutzer damit sein Widerrufsrecht verliere. Der Hinweis war in ähnlicher Schriftgröße wie die Beschriftung des Buttons selbst gehalten.

Dennoch klagte die Verbraucherzentrale NRW nach erfolgloser Abmahnung gegen den Anbieter auf Unterlassung, mit dem Argument, dass mit dieser Gestaltung gerade kein wirksamer Verzicht erklärt werde, was natürlich auch die Information als solche („Nach Klick auf „Kaufen“ besteht kein Widerrufsrecht“) unzutreffend und damit rechtswidrig mache.

Die Entscheidung

Das Gericht schloss sich dieser Argumentation an (LG Köln, Urt. v. 21. Mai 2019, Az.: 31 O 372/17, Volltext hier) . Nach der Vorschrift des § 356 Abs. 5 BGB sei eine „ausdrückliche“ Zustimmung des Verbrauchers erforderlich, um das Widerrufsrecht zum Erlöschen zu bringen.

Dies sei so zu verstehen, dass neben der Erklärung des Verbrauchers zum Abschluss des Vertrages über den digitalen Inhalt eine weitere, gesonderte Erklärung abzugeben sei, mindestens durch das aktive Ankreuzen einer entsprechenden Checkbox. Ansonsten sei nicht gewährleistet, dass der Verbraucher sich wirklich mit den Konsequenzen seiner Entscheidung auseinandersetze, weil für ihn gedanklich nur das „Kaufen“ im Vordergrund stehe. Auch nach Ansicht der Generaldirektion Justiz der EU sei ein Verzicht auf das Widerrufsrecht durch eine „Voreinstellung“ im Kaufprozess nicht möglich.

Schließlich müsse der Begriff der „ausdrücklichen“ Einwilligung insoweit so verstanden werden wie bei der ausdrücklichen Einwilligung des Verbrauchers in kostenpflichtige Zusatzoptionen gemäß § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB.

In der Tat liegt das LG Köln damit auf einer Linie mit dem LG Berlin (Urt. v. 30. Juni 2016, Az.: 52 O 340/15) und auch dem LG Karlsruhe (Urt. v. 25. Mai 2016, Az.: 18 O 7/16), das sogar noch weiter geht und (u.E.: unzutreffend) meint, diese Erklärung könne zwingend erst nach Betätigung des „Kaufen“-Buttons erfolgen.

Kritik

Die Argumentation des Landgerichts hat aus unserer Sicht einige Schwachstellen. Es ist nicht recht einzusehen, warum das Gericht es für ausgeschlossen hält, dass ein Verbraucher einen direkt oberhalb des „Kaufen“-Buttons platzierten Informationstext wahrnimmt und sich damit auseinandersetzt – zumal der Verbraucher es ja inzwischen gewohnt sein dürfte, genau dort die wesentlichen (!) Inhalte des abzuschließenden Vertrages vorzufinden und vor dem Kauf noch einmal abschließend zu kontrollieren.

Der Vergleich zwischen den Regelungen des § 356 Abs. 5 und § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB hinkt insofern auch, als dass letztere Vorschrift eine ausdrückliche Regelung zum Verbot von Voreinstellungen trifft und erstere gerade nicht.

Anders als das die Landgerichte in Köln, Berlin und Karlsruhe hat es auch das OLG Karlsruhe gesehen. In einer mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung (OLG Karlsruhe, Urt. v. 11. Juli 2018, Az.: 6 U 108/16) hat es zwar die konkret zu bewertende Gestaltung des Hinweises nicht für ausreichend gehalten, aber ausdrücklich die Möglichkeit einer Verbindung beider Erklärungen bejaht, solange die Erklärung über den Verzicht auf das Widerrufsrecht hinreichend „prominent“ gestaltet ist. Wörtlich führt es aus:

Eine rechtskonforme Gestaltung, die tatsächlich zum Erlöschen des Widerrufsrechts führt, ist technisch ohne weiteres möglich. In Betracht kommt […] eine prominentere Hervorhebung des Umstandes, dass mit der Betätigung der Schaltfläche „Jetzt kaufen“ eben nicht allein ein Zahlungspflichten begründender Vertrag zustandekommt, sondern vermittels der Zustimmung zur sofortigen Ausführung auch auf ein an sich bestehendes Widerrufsrecht verzichtet wird.

Fazit

Wie ein Anbieter digitaler Inhalte die zu seinem Schutz in das Gesetz aufgenommene Regelung zum Verzicht auf das Widerrufsrecht in praxistauglicher Weise rechtssicher nutzen kann, ist weiter unklar. Das Urteil aus Köln ist noch nicht rechtskräftig. Der Fall bietet daher die Chance einer höchstrichterlichen Klärung. Wir bleiben dran und werden weiter berichten.

In der Zwischenzeit sollten sich Anbieter, die einen Verzicht auf das Widerrufsrecht implementieren möchten, in Vorsicht üben und im Zweifelsfall Verzichtserklärungen durch gesonderte Checkboxen oder Pop-Ups einholen.


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