Miniserie Verbraucherschutzrecht (Teil 2) – Neuregelung des Widerrufsrechts für digitale Inhalte

Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 13. Juni 2014 die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen umgesetzt. Das Gesetz regelt nun u.a. ausdrücklich, unter welchen Bedingungen ein Widerrufsrecht für den Verbraucher bei digitalen Diensten (Computerprogramme, Spiele, Musik) besteht. Wir beleuchten in diesem Teil unserer Miniserie die neuen Vorschriften über den Widerruf beim Erwerb digitaler Güter.

Alte Rechtslage

In der bis zum 13. Juni 2014 gültigen Fassung des Gesetzes war nicht ausdrücklich geregelt, ob ein Widerruf des Verbrauchers beim Abruf digitaler Inhalte möglich ist. Gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. bestand das Widerrufsrecht nicht bei Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit für eine Rücksendung ungeeignet sind. Der gesetzliche Wortlaut ließ somit bislang offen, ob auch Downloads unter den Begriff der Ware zu subsumieren sind. Im letzteren Fall wäre ein Widerruf bei Verträgen, die digitale Inhalte bereitstellen, ausgeschlossen gewesen. Dies konnte auch als angemessen betrachtet werden, da der Verbraucher die Ware möglicherweise bereits in Gebrauch genommen hat und der Unternehmer nicht sicherstellen kann, dass die Inhalte nach einem Widerruf beim Verbraucher gelöscht sind.

Gesetzliche Änderungen

Einfügung des neuen § 356 Abs. 5 BGB

Der Gesetzgeber hat in der gesetzlichen Neufassung das Widerrufsrecht von Verbrauchern neu strukturiert. Die Neueinführung des Begriffs der „digitalen Inhalte“ macht die bisherige Differenzierung von Downloads als Ware oder Dienstleistung entbehrlich.

Der bisher normierte gesetzliche Ausschlusstatbestand des Widerrufsrechts für Fernabsatzverträge zur Lieferung von Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Rücksendung ungeeignet sind, wurde bei der Änderung nicht übernommen. Der neu eingefügte Erlöschenstatbestand des § 356 Abs. 5 BGB sieht nun folgende Regelung vor:

Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht mit Beginn der Vertragsausführung verliert.

Folglich besteht für den Verbraucher folglich nur dann kein Widerrufsrecht, wenn kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. der Unternehmer muss mit der vertraglichen Ausführung begonnen haben,
  2. der Verbraucher muss der Ausführung ausdrücklich zugestimmt haben, und
  3. der Verbraucher muss seine Kenntnis davon bestätigt haben, dass er das Widerrufsrecht mit Vertragsausführung verliert.

Ist eine dieser drei Voraussetzungen nicht erfüllt, steht dem Verbraucher nunmehr grundsätzlich ein Widerrufsrecht bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte zu.

Abzuwarten bleibt, welche Anforderungen an eine etwaige Zustimmung des Verbrauchers zur vertraglichen Ausführung zu stellen sind. Der Gesetzgeber reagiert somit auf die europaweit angestrebte Harmonisierung des Verbraucherschutzes. Ob hierbei die Interessen von Online-Händlern angemessen berücksichtigt werden, erscheint fraglich. Für letztere gestaltet sich eine vertragliche Rückabwicklung im Falle eines Widerrufs des Verbrauchers nach Gebrauch der zur Verfügung gestellten digitalen Inhalte (Computerspiele, Musik und andere Programme) nunmehr noch aufwändiger.

Einfügung des neuen § 357 Abs. 9 BGB

Bisher hatte der Unternehmer bei Widerruf des Verbrauchers zumindest die Möglichkeit Wertersatz zu erhalten. Mit der gesetzlichen Neuregelung des § 357 Abs. 9 BGB fällt auch diese Option für den Unternehmer weg:

Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er keinen Wertersatz zu leisten.

Eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers ist nach der Neuregelung also ausgeschlossen. Somit wird der Verbraucher ausdrücklich vor etwaigen Kosten geschützt, obwohl er die vom Unternehmer bereitgestellten digitalen Inhalte möglicherweise bereits genutzt hat. Der Unternehmer ist somit im Falle eines Widerrufs weitgehend schutzlos gestellt.

Wie diese Probleme in der Praxis rechtssicher zu bewältigen sind und welche Möglichkeiten dem Online-Handel noch zur Verfügung stehen, ist im Einzelnen noch unklar. Hier wird erst die Rechtsprechung verbindlich Klarheit schaffen können. Erste Hinweise geben wir nächste Woche in Teil 3 dieser Verbraucherschutz-Miniserie.


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