Neues von der EU: Die geplante Digitale-Inhalte-Richtlinie

Im Rahmen der Initiative für einen digitalen Binnenmarkt ist der europäische Gesetzgeber dabei, eine neue Richtlinie zu erarbeiten, die das vertragsrechtliche Regime für den Verkauf digitaler Inhalte an Verbraucher in absehbarer Zeit grundlegend verändern wird. Das neue Regelungswerk sieht insbesondere ein Konzept zur „Bezahlung mit Daten“, ein Recht auf Übertragbarkeit der Inhalte von Benutzerkonten nach Vertragsbeendigung und weitreichende gesetzliche Gewährleistungsrechte vor. Die geplante Richtlinie hat einen weiten Anwendungsbereich und wird insbesondere auch Anbieter von Online- und Handyspielen erfassen.

Eine neue Herangehensweise mit weitem Anwendungsbereich

Der Richtlinien-Entwurf zielt auf eine Vollharmonisierung ab, was bedeutet, dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung kein bzw. nur wenig Spielraum bleibt, um die Anforderungen der Richtlinie zu modifizieren. Die Vorgaben selbst sind angelehnt an frühere Gesetzgebungsbestrebungen zur Einführung eines vollharmonisierten Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts.

Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist weit gefasst und insbesondere nicht auf Fälle der Bereitstellung digitaler Inhalte an Verbraucher beschränkt; sie erfasst daneben auch digital erbrachte Dienstleistungen, die es dem Nutzer ermöglichen, eigene Inhalte hochzuladen oder zu erstellen.

Im Folgenden werden einige Kernbestimmungen des Richtlinien-Entwurfs vorgestellt:

  • Bezahlung mit Daten: Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf „entgeltlich“ bereitgestellte digitale Inhalte beschränkt, wobei Entgeltlichkeit nicht mehr nur bedeutet, dass eine Gegenleistung in Geld zu erbringen ist. Vielmehr sind hiervon ausdrücklich auch Verträge erfasst, in deren Rahmen der Verbraucher aktiv personenbezogene oder sonstige Daten – gewissermaßen als Bezahlung – zur Verfügung stellt. Anbieter digitaler Inhalte (oder digital erbrachter Dienstleistungen) unterfallen nur dann nicht der Richtlinie, wenn die Erhebung und Verarbeitung jeglicher (auch nicht personenbezogener) Daten strikt auf das gesetzlich geforderte oder für die Vertragserfüllung notwendige Maß beschränkt bleibt.
  • Recht auf Übertragbarkeit nach Vertragsbeendigung: Die Richtlinie begründet kein generelles oder unbeschränktes Recht der Nutzer, ihre Daten von ihrem bisherigen Anbieter an einen Anbieter gleichartiger Dienste zu übertragen. Jedoch ist jeder Anbieter verpflichtet, dem Nutzer eine – kostenlose – Möglichkeit zum Download aller Inhalte, die der Nutzer im Rahmen der Inanspruchnahme der Leistungen dieses Anbieters hochgeladen oder erstellt hat, zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist es dem Anbieter grundsätzlich untersagt, solche Inhalte nach Vertragsbeendigung weiter zu nutzen. Dies wird sich sehr wahrscheinlich auf die künftige Verwaltung von Foren und sonstigen Nutzerbeiträgen im Rahmen des öffentlichen Bereichs eines Online-Dienstes auswirken.
  • Gewährleistung und Haftung: Einige der Kernregelungen des Richtlinien-Entwurfs betreffen die Haftung des Anbieters für digitale Inhalte (sowie wahrscheinlich auch für digital erbrachte Dienstleistungen). Das Gewährleistungsrecht ähnelt den Vorgaben des deutschen Rechts für Kaufverträge, geht aber stellenweise zugunsten des Verbrauchers noch darüber hinaus. Weicht die Beschaffenheit der Inhalte im Zeitpunkt ihrer Bereitstellung von den vertraglichen Vereinbarungen ab und/oder eignen sie sich nicht zur Nutzung entsprechend dem vereinbarten Zweck, so kann der Verbraucher von dem Anbieter die Behebung dieses Mangels verlangen. Die Beweislast für die Mangelfreiheit liegt während der gesamten Gewährleistungsfrist von mindestens zwei Jahren bei dem Anbieter! Kann der Mangel nicht mit angemessenem Aufwand behoben werden, so kann der Nutzer von dem Vertrag zurücktreten/den Vertrag kündigen und eine vollständige Erstattung des gezahlten Preises verlangen. Zudem können Verbraucher Schadensersatzansprüche geltend machen.
  • Änderungsklauseln: Positiv ist dagegen, dass der Richtlinien-Entwurf es Anbietern ausdrücklich gestattet, Klauseln in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen, die ihnen eine Änderung der digitalen Inhalte ermöglichen. Dies gilt selbst dann, wenn die Änderung dazu führt, dass die digitalen Inhalte nicht mehr vollumfänglich der ursprünglichen vertraglichen Beschreibung entsprechen oder sie anderweitig den Zugang zu oder die Verwendbarkeit der Inhalte beeinträchtigt.

Auswertung und Ausblick

Der Wortlaut des derzeitigen Entwurfs ist noch immer unklar, verwirrend und an einigen Stellen sogar widersprüchlich. Beispielsweise umfasst der Begriff „digitale Inhalte“ nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers auch (Dienst-)Leistungen, in deren Rahmen der Anbieter keinerlei Inhalte bereitstellt, sondern nur dem Nutzer das Hochladen und Teilen eigener Inhalte ermöglicht.

Eine weitere offene Frage betrifft die Vereinbarkeit des Konzepts der „Bezahlung mit Daten“ mit den Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Denn diese beschränkt das Recht des Verkäufers, die Bereitstellung von Leistungen von einer Einwilligung des Nutzers in die Datenerhebung und -verarbeitung abhängig zu machen.

Es handelt sich noch nicht um einen endgültigen Entwurf. Der Rat hat erst kürzlich eine Reihe von Kommentaren und Änderungsvorschlägen veröffentlicht und eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments steht noch gänzlich aus. Diese wird im Herbst erwartet – und könnte eine Reihe weiterer Änderungen und – hoffentlich – Klarstellungen mit sich bringen.

Anbieter digitaler Inhalte, einschließlich der Betreiber von Online- und Handyspielen, sollten gleichwohl beginnen, sich mit den vorgeschlagenen Neuregelungen zu befassen und diese in ihrer mittel- und langfristigen Planung berücksichtigen.


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