Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags

Die Konferenz der Ministerpräsidenten hat gestern neben dem neuen Medienstaatsvertrag, der den alten Rundfunkstaatsvertrag ablösen soll, auch Änderungen am Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) beschlossen. Zwar ändern sich nur einige Paragraphen, im Einzelnen bietet die Reform dennoch Zündstoff. Der neue Staatsvertrag tritt erst nach Ratifizierung durch die Landtage aller Länder in Kraft, was bis September 2020 geschehen soll. Wir geben schon jetzt einen kurzen Überblick über die kommenden Neuerungen.

Einige Änderungen betreffen nur technische Details. So wird die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) nunmehr verpflichtet, gemeinsam mit den Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle Kriterien für die Anerkennung von Jugendschutzprogrammen aufzustellen – vorher war dies eine „kann“-Bestimmung, von der die KJM keinen Gebrauch gemacht hat.

Geltung für ausländische Anbieter

Bemerkenswert ist jedoch die ausdrückliche Klarstellung in § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 JMStV n.F. , dass die deutschen Jugendschutzvorgaben auch für ausländische Anbieter gelten, deren Angebote sich etwa durch deutsche Sprache oder Marketingaktivitäten in Deutschland auf den deutschen Markt ausrichten. Wie auch nach dem NetzDG müssen ausländische Anbieter gemäß § 21 Abs. 2 JMStV n.F. einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen.

Inwieweit all dies mit dem europäischen Herkunftslandprinzip vereinbar ist, wird sicherlich noch Gegenstand kontroverser Debatten werden. Denn zumindest Anbieter aus anderen EU-Staaten, die etwa in den Anwendungsbereich der eCommerce-Richtlinie und der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste („AVMD-Richtlinie“) fallen, sollen grundsätzlich nur ihr Heimatrecht befolgen müssen. Klar von den neuen Pflichten betroffen sind aber Anbieter aus dem außereuropäischen Ausland.

Sonderregeln für Video-Sharing-Plattformen

Darüber hinaus werden in Umsetzung der AVMD-Richtlinie Sonderregelungen für so genannte Video-Sharing-Dienste (also Plattformen wie YouTube) aufgenommen, denen in § 5a JMStV n.F. ausdrücklich die Pflicht auferlegt wird, Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten zu schützen. Hierfür sollen – wohl neben den bisher aus § 5 JMStV  bekannten Methoden

  • Sendezeitbeschränkung,
  • technisches oder sonstiges Mittel und
  • Programmierung für ein geeignetes Jugendschutzprogramm

„insbesondere“ auch die Einrichtung von Altersverifikationssystemen und von Eltern bedienbare Zugangskontrollsysteme gehören.

Man mag sich fragen, ob es dieser ausführlichen Regelung wirklich bedurft hätte, oder ob man dies nicht alles schon dem bisherigen § 5 JMStV hätte entnehmen können, der mit der Formulierung „technisches oder sonstiges Mittel“ sicherlich auch diese Varianten erfasst. Neu ist allenfalls die Klarstellung, dass Plattformen dies auch für Inhalte tun müssen, die nicht ihre eigenen sind.

Die Verwendung des Begriffs der „Altersverifikation“ ist indes wenig hilfreich, da hiermit traditionell (insbesondere in der Rechtsprechung) die besonders komplexen und umgehungssicheren Systeme zur Herstellung geschlossener Benutzergruppen für jugendgefährdende Inhalte gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV bezeichnet werden. Solche Systeme nun auch bei lediglich entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten zu fordern, wäre eine deutliche Verschärfung, die nach unserem Dafürhalten von der AVMD-Richtlinie gerade nicht gefordert wird.

Das genaue Verhältnis zwischen den unangetastet bleibenden §§ 4, 5 JMStV a.F. und der neuen Regelung in § 5a JMStV n.F. bleibt leider unklar. Hier schafft der neue JMStV unnötige Rechtsunsicherheit.

Neue Pflichten bei der Werbung

Schließlich werden die Pflichten im Zusammenhang mit der Werbung in einem § 6 Abs. 7 JMStV n.F. erweitert, indem Anbieter von Kindersendungen Maßnahmen ergreifen müssen, um die Einwirkung von Werbung für bestimmte als ungesund empfundene Lebensmittel auf Kinder einzudämmen.

Was dieser sehr verklausulierte Norm letztendlich fordert, ist wiederum nicht sehr klar. Sie verbietet die Werbung für solche Lebensmittel (die etwa einen hohen Fett- oder Zuckergehalt haben)nicht komplett, auch nicht im Umfeld von Kindersendungen, sondern fordert nur Maßnahmen, um deren Einwirkung auf Kinder zu verringern. Das impliziert die Existenz einer Vergleichsgröße als „Normalmaß“, das durch die Verringerung unterschritten wird. Ob ein solches Normalmaß objektiv existiert ist sehr fraglich, und der neue JMStV regelt auch nicht, wer diese sim Zweifelsfall festlegen soll. Auch hier sind leider Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert.

Fazit und Ausblick

Es bleibt zu hoffen, dass einige der  aufgezeigten Problematiken sich durch klare und pragmatische Aussagen der Aufsichtsbehörden oder hilfreiche Klarstellungen in Gesetzesbegründungen der jeweiligen Ratifizierungsgesetze der Länder möglicherweise noch entschärfen. Anbieter sind dennoch gut beraten, sich mit diesen Neuregelungen frühzeitig auseinanderzusetzen, auch um konkrete Umsetzungsschwierigkeiten früh zu identifizieren und zu adressieren.

Nach diesem jugendschutzrechtlichen Gruß aus der Gesetzesküche erwarten wir nun allerdings auch den Beginn des eigentlichen Menüs, nämlich den noch für dieses Jahr angekündigten Entwurf für eine Reform des Jugendschutzgesetzes. Moderner, konvergenter, international anschlussfähig soll und muss es werden. Wir sind gespannt und werden die Entwicklung weiter begleiten und berichten.

Alle Änderungen des JMStV im Überblick

Die geplanten Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages haben wir Ihnen in einer konsolidierten Textfassung zusammen gestellt. Auf einen Blick können Sie so erkennen, welche Regelungen von der geplanten Novelle betroffen sind.

Hinweis: Beiträg überarbeitet am 7. Januar 2020


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